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Kyudo und Meditation

Vortrag Shibata Sensei XXI.

Wien 1998

Kanjuro Shibata XXI. Sensei
 

Kyudo und Meditation

 

Mitschrift eines Vortrages von Shibata XXI. Sensei, Wien 1998

 

Guten Abend,

ich werde zuerst etwas über die momentane Situation des Kyudo in Japan erzählen. Es gibt heute etwa 100.000 aktive Kyudoka. Es gibt im ganzen Land verstreut Dojos, wo man Kyudo praktizieren kann; in Tokyo z.B. gibt es etwa 60 Dojos. 
Etwa 90% der Kyudoka gehören dem Dachverband 'All Nippon Kyudo Assoziation' (Zen-Nippon-Kyudo Renmei') an. Hauptsächlich wird Kyudo heute als Sport ausgeübt. Die Anderen suchen den ursprünglichen Sinn von Kyudo oder betreiben es aus Freude. Einige Dojos befinden sich auch in Zen-Klöstern.

Ich nehme an, viele von ihnen interessieren sich für den geistigen Hintergrund des Kyudo den Zen-Buddhismus. Es gibt drei Arten Zen zu praktizieren, was auch in Japan nicht sehr bekannt ist:

   1.  Zazen = Sitzmeditation
   2.  SuiZen = Zen im Spiel der japanischen  Bambusflöte "Shakuhachi" 
   3.  Ritsu-Zen = Zen im Stehen, dazu gehört Kyudo.

Zazen und Kyudo sind in gewisser Weise entgegengesetzte Pole, das erste ist völlige Bewegungslosigkeit, das letztere Zen in Bewegung. Das Ziel bleibt aber das gleiche: ‚mushin’ d.h., sich selbst bzw. sein Herz leer zu machen.

Diese Leere durch Zazen zu erlangen ist sehr schwierig: das lange unbewegliche Sitzen macht müde, hungrig, die Beine schmerzen... 

Bei Kyudo ist es weniger schwierig. Es gibt Momente beim Praktizieren, in denen man diese geistige Leere erlangen kann. Es ist vor allem der Moment, wenn der Pfeil losgelassen wird (=Hanare). Dieser Moment gebiert etwas. Ob es das Treffen ist oder mehr die Form, hängt von jedem selbst ab. Das wahre Selbst kommt beim Hanare zum Vorschein. Es gibt kein Verstecken mehr, alles theoretische Denken ist dann sinnlos. Durch das Unterrichten bemerke ich oft, dass das Praktizieren von Kyudo wie eine innere Reinigung wirken kann.

Ich möchte drei Ratschläge zur Kyudo-Praxis geben:

 

  • Kontinuierlich praktizieren! Nach ein zwei Monaten sieht man noch kein Ergebnis...

  • Ohne Zwang praktizieren!

  • Mit Freude praktizieren!

 

 


Fragen aus der Gruppe:


Ist die Zeremonie (Verbeugungen) vor dem Schießen eine Geste an eine höhere, göttliche Macht?

Sensei: Ja, das könnte man so sagen; man bittet um Unterstützung, Schutz, dass kein Fehler unterläuft usf. Es gibt dazu eine Geschichte von einem Freund des Shibata XVIII. Er sollte einmal vor dem Tenno (Kaiser) eine Kyudo-Demonstration machen. Er sagte vorher, wenn ihm ein Fehler unterlaufen sollte, würde er sofort Seppuko (rituellen Selbstmord) begehen. Darum legte er bei der Demonstration sein Kurzschwert neben sich, an Stelle des Fächers.

 


Kyudo hat sich ursprünglich aus einer Kampfdisziplin, die im Krieg eingesetzt wurde, entwickelt. In welcher Weise hat sich der Sinn des Kyudo, seit es nur noch als spirituelle Disziplin ausgeübt wird, verändert?

Sensei: Es gibt noch heute viele Elemente – speziell in der Form der Chikurin-ha – die direkt auf die Kampfsituation zurückweisen. Andere Schulen – zB die Ogasawara-Schule – sind wesentlich zeremonieller, von größerer formaler Eleganz. Chikurin-ha ist vielleicht weniger schön anzusehen, es ist eher ein „wilder“ Stil.

 


War der Ursprung der Shibata-Dynastie zugleich der Ursprung der Chikurin-ha?

Sensei: Nein. Die Chikurin-ha ist älter; sie geht zurück auf einen Zen-Mönch namens Chikurinbo, von dem man aber fast nichts weiß, nur ungefähr die Gegend in der er gelebt hat (Gebiet Nagoya). Dort finden sich noch heute viele Anhänger der Chikuroin-ha.

 


War es in Japan immer schon so, dass auch Frauen Kyudo betrieben?

Sensei: Schon sehr lange, etwa seit der Meiji-Zeit (ab etwa 1870).
Anschließend erzählt Sensei kurz über die historischen Kampfdisziplinen der Samurai. Dazu gehörten neben Kyudo: die Reitkunst, Kendo (=Schwertkunst) und der Kampf mit der Lanze. Kyudo allerdings war nicht für alle Samurai erlaubt, sondern nur den hochrangigen Samurai Familien vorbehalten. Es gab dafür die Redewendung "Ihr Haus hat Yumi und Ya genommen."

 


Frage: Im Krieg war es das Ziel den Feind mit dem Pfeil zu treffen und zu töten, jetzt schießen wir auf Matos oder Makiwara, worin besteht da der Unterschied?

Sensei: Das Mato, auf das wir schießen, ist ein Spiegel von uns selbst. Ich stehe beim Praktizieren nur mir selbst gegenüber. Das Mato kann mich etwas lehren. Treffen ist gut, nicht treffen ist auch gut. Der Schuss der getroffen hat, lehrt mich etwas, der Schuss, der nicht getroffen hat, lehrt mich auch etwas.

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