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Ein Brief an Gako-Kyūdōjō

von Shibata Sensei XX. und XXI. 

vom 26. Februar 1997

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Shibata XX. Sendai        Shibata XXI. Sensei

An die Mitglieder von GAKO Kyūdōjō!

Obwohl der Frühling bereits begonnen hat, ist es in Kyoto noch bitter kalt. Besonders in den letzten zehn Tagen hat es oft geschneit. In meiner Werkstatt muss ich mit viel Kiai arbeiten, um gute Yumis zu machen. (Anmerkung: die Werkstatt von Sensei ist zum Hof hin offen.)

Wir möchten zuerst über Makiwara-Praxis und Matomae-Praxis (Langdistanz-Praxis) sprechen. Früher einmal pflegte man zu sagen: Makiwara Sannen (gleich 3 Jahre nur Makiwara-Praxis). Es hieß auch, je länger Makiwara-Praxis, desto besser. Später, wenn man Makiwara-Praxis gut beherrscht, ist es wichtig, dass Makiwara-Praxis und Matomae-Praxis parallel ausgeübt werden. In der Ausübung beider Praktiken nimmt man Veränderungen des eigenen Herzens wahr: einerseits wie man bei der Matomae-Praxis vom Gedanken an das Treffen des Mato gefangen wird, andererseits wie man in der Makiwara-Praxis von dieser Vorstellung wieder befreit praktiziert. Vor allem wird einem bewusst, wie dumm es ist, sich von der Vorstellung des Mato beziehungsweise vom Ehrgeiz des Treffens beherrschen zu lassen.

Die Beziehung zum Kyudo ist individuell verschieden:
• einige praktizieren Kyudo, um den Zen-Geist zu erfahren;
• anderen geht es primär um Gesundheit und sportliche Betätigung;
• andere wieder wollen durch Kyudo vom Alltag Abstand nehmen und sich mit sich selbst auseinander setzen;
• wieder andere möchten ihre Welt erweitern, indem sie außerhalb von Familie und Beruf auf andere Menschen treffen.
Eines aber gilt für alle gleichermaßen: Jede und jeder muss für sich selbst den Yumi ziehen. Das ist unser grundsätzlicher Gedanke. Deshalb gibt es in unserer Schule auch keine Dan-Grade oder Titel.

Wir haben hier einige schwierige Fragen aufgeworfen. Es ist aber nicht angebracht, Kyudo zu eng aufzufassen oder theoretisch zu komplizieren. Ohne Spaß an der Sache gibt es keine Ausdauer. Je länger man praktiziert, desto mehr begreift man, dass die zuvor aufgeworfenen Fragen sich in natürlicher Weise von selbst beantworten; etwa wozu jemand praktiziert, oder was Kyudo für einen selbst bedeutet.

Praktizieren Sie weiter ohne von der Idee, gut schießen zu wollen, besessen zu sein. Bürden Sie sich auch nicht zu viel Last beim Praktizieren auf.

Den Bogen zieht man nicht mit dem Kopf, sondern mit dem Körper. Werden Sie nicht kopflastig und lassen sie spirituelle Ideen und technische Details nicht zu wichtig werden. Wenn solche Aspekte das Übergewicht erlangen, wird die Kyudo-Gruppe zu einer Religionsgemeinschaft und verfehlt dadurch das eigentliche Ziel von Kyudo.

Ohne einen geeigneten Praxisort, gibt es auch keine Praxis, das bedeutet, dass das Ziel nicht erreicht wird. Wie immer die notwendigen Formalitäten aussehen mögen, sollte man versuchen, sich bietende Möglichkeiten anzunehmen.

Keinesfalls sollten sie auf einen Weg im Kyudo geraten, der nur der Form verhaftet ist, nur auf das Treffen oder Nicht-Treffen Wert legt, oder die anderen Kyudoka nach ihrem Syankaku (Rang beim Praktizieren) oder ihrer Persönlichkeit beurteilt. Wichtig ist, dass die Gruppenmitglieder einander respektieren, gegenseitige Toleranz aufbringen und auf diese Weise Kyudo praktizieren.


Shibata XX. Kanjuro
Shibata XXI. Kanjuro

 

Ein Brief von Shibata Sensei XX. und XXI. 
an GAKO Kyudojo vom 26. Februar 1997.

 

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